Mein Weg trotz Widerstand

„Sie brauchen keine Qualifikation. Besuchen Sie wie Ihre Kolleginnen einen Tageskurs. Das ist völlig ausreichend.“

Ich ging nicht den klassischen Weg über das Gymnasium oder die Realschule. Stattdessen besuchte ich die Mittelschule und danach die Wirtschaftsschule, um meine mittlere Reife zu erlangen. Doch mit mangelhaften Noten in BWL und Rechnungswesen, erhielt ich kein Jobangebote im Wirtschaftssektor. Nach etlichen Absagen veränderte ich meine Jobsuche. Ich erinnerte mich an ein Schulpraktikum in einer Zahnarztpraxis. Der Umgang mit Menschen, das Arbeiten in einem Team und das Gefühl, dass meine Arbeit einen positiven Einfluss auf das Leben anderer hatte, gefiel mir.

So richtete ich eine Bewerbung an eine Zahnarztpraxis. Meine Bewerbung führte mich in eine Zahnarztpraxis in Landsberg am Lech, die zu meiner Ausbildungspraxis wurde und die ein Jahrzehnt lang mein Leben prägte. Es war ein familiäres Arbeitsumfeld, in dem ich mich wohl fühlte und mich entwickeln konnte. Immer noch bin ich sehr dankbar für diese herzliche & unterstützende Praxis. Ich verbinde wertschätzende Gefühle.

Das Bild entstand 2013 beim Fotoshooting mit dem Praxisteam und den neuen Prophylaxeräumlichkeiten

Der Widerstand
zum Thema Aufstiegs-fortbildung

Nach der Ausbildung wuchs in mir, das Bedürfnis mich weiterzubilden. Als ich meinen Wunsch äußerte, eine Qualifikation zu erlangen, sagte mein Chef: „Sie brauchen keine Qualifikation. Besuchen Sie wie Ihre Kolleginnen einen Tageskurs. Das ist völlig ausreichend.“ Er konnte nicht verstehen, warum ich mehr wollte. Das war für mich frustrierend.

Ich hörte auf mein eigenes Gefühl, schwamm gegen den Strom und entschied mich für den Weg der Aufstiegsfortbildung, in einer Praxisstruktur, wo Aufstiegsfortbildungen nicht verlangt wurden.

ZMP bei www.praxisdienste.de
Zusatzprüfung Kammer ZMP https://www.eazf.de/sites/zmp
Studium in Dentalhygiene und Präventionsmanagement in Köln https://www.cbs.de/bachelor/dentalhygiene-studium

Bei allem Respekt, frustriert mich das Thema selbst heute noch, ich weiß, dass zum Beispiel meine Kollegen das Potenzial gehabt hätten, eine Qualifikation zu erreichen, aber sie blieben aus Bequemlichkeit und Widerstand gegen Veränderungen als zahnmedizinische Fachangestellte mit Weiterbildungen im Tageskurs in der Patientenbehandlung. Einen Weg den ich akzeptiere. Eine Praxis Struktur die ich akzeptiere. Meinen Chef den ich verstehe.

Denn ein großer Teil des Problems liegt im deutschen Gesundheitssystem. In Deutschland sind Aufstiegsfortbildungen keine Pflicht. Das bedeutet, dass Zahnärzte nicht verpflichtet sind, qualifiziertes Personal zu beschäftigen. Sowohl eine zahnmedizinische Fachangestellte als auch eine Dentalhygienikerin kann Patienten mit Parodontitis behandeln. Eine professionelle Zahnreinigung (PZR) darf auch von einer zahnmedizinischen Fachangestellten mit Tageskursen durchgeführt werden. Das System schreibt keine Aufstiegsfortbildung als Prophylaxe Assistenz vor. Es gibt keine Verpflichtung, Qualifikationen offiziell anzugeben oder zu fördern. Das bedeutet, viele Zahnärzte sehen keine Notwendigkeit, zusätzlich ausgebildete Fachkräfte einzustellen, weil es für sie wirtschaftlich nicht notwendig ist. Die Aufstiegsfortbildung wird als freiwillig angesehen – sie ist kein Pflichtbestandteil des Systems. Aus Sicht vieler Führungskräfte in Zahnarztpraxen reicht es vollkommen aus, die regulären Aufgaben zu erledigen, ohne eine höhere Qualifikation zu haben.

Es ist wichtig zu sagen, dass es in Deutschland durchaus auch Praxen gibt, die die Bedeutung von Aufstiegsfortbildungen erkannt haben. Es gibt Zahnarztpraxen, in denen Aufstiegsfortbildungen aktiv gefördert werden. Diese Praxen sind zweifellos eine Bereicherung für die Branche und ein Zeichen dafür, dass Veränderung möglich ist. Doch die Realität sieht leider oft noch anders aus: Der Beruf der Dentalhygienikerin wird noch immer nicht als Berufsbild anerkannt, und das Thema Aufstiegsfortbildung bleibt vielerorts eine freiwillige Entscheidung ohne die notwendige Unterstützung und Förderung. Wir Fachkräfte müssen oft in Großstädte umziehen, denn auf dem Land fehlen Zahnarztpraxen und das Verständnis für Aufstiegsfortbildungen.  

Warum ZMP & DH Bachelor?

Ich möchte dir meinen tieferen, persönlicheren Grund mitteilen: Meine tiefe Sehnsucht nach Unabhängigkeit hat seine Wurzeln in einer Geschichte, die ich nie vergessen habe. Es war in der 3. Klasse, als ich von einem dramatischen Ereignis erfahren musste. Ein Familienvater, der seine Familie mit harter Arbeit und viel Liebe unterstützte, kam bei einem Motorradunfall ums Leben. Seine Frau, eine Schneiderin, konnte die Familie finanziell nur schwer versorgen. Ich spüre immer noch, welche schwere Last auf der Mutter lag. Diese Geschichte lehrte mich eines: Ich möchte als Frau unabhängig sein.

Genau diese Unabhängigkeit war auch der Grund, warum ich mich entschloss, nicht nur als zahnmedizinische Fachangestellte zu arbeiten, sondern mich weiterzubilden und eine spezielle Qualifikation zu erlangen. Denn als zahnmedizinische Fachangestellte bist du abhängig. Abhängig von deinem Chef / deiner Chefin, vom Team und vom System, in dem du arbeitest. Dein Wissen ist begrenzt, deine Aufgaben sind festgelegt, und deine berufliche und persönliche Entwicklung bleibt oft auf der Strecke. So sehr man sich in einer Zahnarztpraxis auch wohlfühlen kann.

Heute bin ich Dentalhygienikerin und möchte dir sagen

Lass dich nicht entmutigen, wenn jemand deine Wünsche belächelt oder nicht unterstützt. Die Verantwortung für deine Zukunft liegt bei dir, nicht bei denen, die dir erzählen, dass es genug ist, so zu bleiben, wie man ist.

Für mich ist die Entscheidung, eine Qualifikation zu erlangen, nicht nur eine berufliche Entscheidung. Sie ist ein Akt der Selbstbestimmung, ein Schritt in Richtung Unabhängigkeit, sowohl beruflich als auch finanziell.

Das ich mich nicht von den Widerständen in meiner Praxis, den Kommentaren oder der fehlenden Unterstützung aufhalten ließ, hat mir nicht nur meine berufliche Qualifikation, sondern auch eine tiefere Erkenntnis über mich selbst gebracht. Ich habe gelernt, dass es nicht die äußeren Umstände sind, die über unseren Erfolg entscheiden, sondern der Glaube an uns selbst und der Mut, unseren eigenen Weg zu gehen.

Es ist nicht einfach, gegen den Strom zu schwimmen. Aber es ist mein Weg, der mich zu dem gemacht hat, die ich heute bin – eine Dentalhygienikerin, die nicht nur auf ihre zahnmedizinische Arbeit stolz ist, sondern auch auf die Reise, die sie gemacht hat, um dorthin zu kommen. Und ich würde diesen Weg immer wieder gehen. Bei vollem Respekt zu allen Menschen die mich begleitet, unterstützt und geprägt haben.

Ich wollte die Verantwortung für meine Zukunft übernehmen und aus einem System ausbrechen, das keine Weiterbildung vorschreibt und in dem die meisten Fachkräfte nicht dazu ermutigt werden, sich zu entwickeln.


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